Texte

MODULATIONEN

Christel Hartmann-Fritsch

Leicht gekürzter Text aus der Einführungsrede, Galerie Enno Becker 2001, Berlin

Wenn Kunst nicht Irritation, Verärgerung oder Verwunderung hervorruft, ist es immer ein schlechtes Zeichen. Eva Marie Kreutzbergers Arbeiten sind geeignet, derartige Reaktionen beim Betrachter hervorzurufen, oder aber, sie machen neugierig.

Eva Marie Kreutzberger hat sich in konzentrischen Kreisen in ihren Lehr- und Wanderjahren konsequent an die Kunst herangearbeitet, über ein Studium der visuellen Kommunikation mit dem Abschluß Diplom Designerin an der Folkwangschule für Gestaltung in Essen. Dies war eine gute handwerkliche Grundlage. Es folgte ein Studium bei Fred Thieler an der Hochschule der Künste in Berlin. Der Meister des Informel hatte sicher in hohem Maße Einfluß auf den künstlerischen Werdegang von Eva Marie Kreutzberger genommen.

Jeder Künstler des Informel schöpfte aus seinem eigenen kulturellen Erbe und näherte sich auf eine ganz persönliche Art dieser Richtung. So auch Thieler. Jedoch bei allem Unterschied in den stilistischen Mitteln, verband die Künstler des Informel stets eine Gemeinsamkeit: ihre Bilder hatten immer auch autobiographischen Charakter, in ihren Werken spiegelte sich das Innere des Künstlers, sein Protest gegenüber der Entpersönlichung der Industriegesellschaft.

Dies könnte auch der Schlüssel zu den Arbeiten Eva Marie Kreutzbergers sein, denn ihr Thema mit Variationen, das Selbstportrait ist in diesem Sinne hart erkämpft und noch lange nicht aufgearbeitet.
Zum einen ist das Oeuvre in hohem Maße autobiographisch angelegt, zumanderen geht es um den Akt des Machens, wird die gestísche Zeichenschrift aus einem psychischen Automatismus hergeleitet.
Die Malerei wird durchgängig von der traditionellen Rolle des Mediums befreit und mit eigener Expressivität aufgeladen. Kreutzbergers eingesetzte Mittel sind die Koppelung und Vermischung von Fotografie und Malerei, sowie das experimentelle Austesten.

Die Künstlerin arbeitet sehr großformatig aus der Körperbewegung heraus. Ihre ersten Arbeiten waren grossformatige Aktionsbilder, in denen sie selbst noch gar nicht auftauchte. Sie machte sodann interessante Umwege auf der Suche nach dem Selbst, indem sie Ich-Metaphern in Ikonen und
Comicfiguren versteckte: Jean Harlow, Marylin Monroe, die Leopardenlily.

Alle neueren Arbeiten behandeln das gleich Motiv, die gleiche Figur: die Künstlerin selbst. Es sind Körperbilder, die durch obsessive Bearbeitung ihre Aussagen modulieren. Sie arbeitet experimentell mit den unterschiedlichen Grautönen, die der Kopierer hervorbringen kann. Sie verdichtet Aussagen
durch Konturenschärfe der Fotografie und durch die Spielarten, die da möglich werden, baut sie auf, zerschnippelt, verformt, formt zurück, collagiert, decollagiert, sie klebt, übermalt, nimmt sich zurück, setzt sich in den Vordergrund und erzeugt so ihre Wahrheit und Harmonie, die sie uns mitteilt.

Natürlich geht es der Künstlerin dabei nicht um sich, um ihre Person,
sondern sie wird zum Medium einer allgemeinen Aussage.

In allen Arbeiten Eva Marie Kreutzbergers spielt die Blickrichtung eine ebenso große Rolle, wie die Körperhaltung. Die Künstlerin erlaubt sich verschiedene Blicke auf die Welt, prüfende und neugierige, sie scheint den Betrachter kritisch ins Visier zu nehmen. Die Betonung der Körperhaltung hat viel
damit zu tun, daß sie seit Jahren Erfahrungen mit der Feldenkrais Methode gesammelt hat. Aus dieser Konzentration auf den eigenen Körper entwickelt sich die Kraft zur künstlerischen Umsetzung. Dies bleibt in allen ihren Arbeiten, vor allem aber in den neueren, spürbar.

Die hockende Bewegung ist auch die Haltung des Vierfüßlers die Körperposition des Kleinkindes, die Laufbewegung des Tieres. Sie symbolisiert Bodenhaftung, Erdung des Körpers, das Spüren des Grundes, auf dem wir uns bewegen; eine Konzentration weg vom Kopf, hin zum Bauch und hier erfährt dieser Zustand seine künstlerische Umsetzung.

Das Wesentliche bleibt die Malerei, die Technik der Bearbeitung von
Fotos, Laserdrucken und Kopien, sowie deren Spiel mit Grautönen, die das Medium unterstützen.

POSITIONSWECHSEL

Die Verbindung von S/W Fotografie und Malerei beschäftigt mich
seit 1980,
Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper, mit seiner Bewegung, fussend auf fotografischen Selbstportraìts und Ganzkörperdarstellungen
in Verbindung mit gestischer Malerei, bildet eine inhaltliche Komponente
meíner Arbeit.

Ab 1999 / 2000 entstehen Übermalungen von Fotos meines Körpers in der Bewegung, erst experimentell auf Papìer, ab 2001 auf Nessel und Leinwand. Die Verbindung von expressiver Körperaktion im Foto und malerischer Aktìon auf der FIäche verdichten sich.

Der Produktion von Bildern weiblicher Körper in Medien, Werbung etc.
sind wir permanent und in jedem Lebensbereich ausgesetzt.
Díe sich unaufhörlìch selbst reproduzierend fortsetzende Bilderfülle
bildet jedoch keìne Víelfalt, sonder bleibt ín sich geradezu homogen
und reduzìert auf -meist erotische- Stereotype.

Der Ausgangspunkt meiner bildnerischen Arbeit hingegen sind Körperbewegungen, díe nichts mit den äußerlichen Stereotypen
erotischer Frauenbilder gemein haben, sondern expressiv innere Abläufe thematisieren.
Die aus der Bewegung entstandenen Fotos sind Material für
Übermalungen, dìe Details des Körpers hervorheben, verdecken,
rhythmisch ordnen und dynamisieren.